14-07-14 - Hst - Region Heilbronn - Auf das Achten, was man als Einzelner tut

REGION Landesweite Nachhaltigkeitstage ziehen auch im Unterland viele Interessierte an

Schon lange bevor Nachhaltigkeit zum beliebten Schlagwort und zur teils missbrauchten Worthülse wurde, hat Stephan Richter begonnen, sich nachhaltig zu verhalten. Er nimmt zum Einkaufen Stofftaschen und Rucksack mit, um auf Plastiktüten zu verzichten, kauft bevorzugt Bioprodukte und fährt fahrraduntaugliche Strecken zwar mit dem eigenen Auto, aber mit einem bewusst kleinen. „Wenig Steuern, wenig Spritverbrauch, wenig Umweltbelastung“, zählt der 52-jährige Heilbronner auf.

Seine Wurzeln hat Stephan Richters Bewusstsein in den 1980er Jahren, „als die Berichterstattung über Umweltverschmutzung losging“ und als der Atomreaktor von Tschernobyl explodierte. „Da habe ich gemerkt, dass es wichtig ist, im täglichen Leben auf das zu achten, was man als Einzelner tut.

Brigitte Koring hält es genauso. Nicht erst seit den 80er Jahren, sondern „aus einer Grundeinstellung heraus schon immer“. Äußerlich bedeutet das für die Heilbronnerin unter anderem, „möglichst sparsam mit Wasser, Strom und Heizung umzugehen“, innerlich beruht es auf ihrer Überzeugung, „dass man eine Verantwortung hat auf der Welt“.
Weil am Wochenende landesweite Nachhaltigkeitstage waren (siehe Hintergrund), sind Brigitte Koring und Stephan Richter bei der ersten Heilbronner Nachhaltigkeitsradtour mitgeradelt.

Erste Station ist das Zeag-Wasserkraftwerk am Hagenbuchersee. „Eine der ältesten regenerativen Energieerzeugungsanlagen in Heilbronn“, ordnet Gottfried May-Stürmer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz ein. Wenig nachhaltig allerdings ist die praktisch trocken liegende Fischtreppe, die verhindert, dass Fische am Kraftwerk vorbei gelangen. „Ein sportlicher Lachs könnte das schaffen“, sagt May-Stürmer mit Galgenhumor: „Er müsste mit 20 Zentimetern Anlauf 30 Zentimeter hoch springen.“

Wo Energie sonst noch so herkommt, lassen sich die Radler dann bei der Heilbronner Versorgungs-GmbH erklärten. Gigantische Fernwärmerohre bringen von der sechs Kilometer entfernten Deponie Vogelsang Gas, „das normalerweise abgefackelt, hier aber verwertet wird“, erläutert Timo Römmele.

Weiterverwerten statt Wegwerfen: Auf diesem Prinzip beruht auch das Konzept des Second-Hand-Kaufhauses Gilde-Center der Aufbaugilde in der Austraße. Sage und schreibe 500 Tonnen Möbel pro Jahr landen nicht auf dem Müll, weil sie hier weiterverkauft werden. Auch sonst gibt es alles, von der Schubkarre bis zu Stöckelschuhen.

Jeden Tag kommen 400 bis 500 Kunden, berichtet Marktleiter Marco Schönberger: solche, die aufs Geld achten müssen, solche, die auf Schnäppchen aus sind, und Sammler, die nach Schätzen ausschauen. „Da hängt ja mein Blazer“: Monika Knoll vom Aktionsbündnis Energiewende freut sich, ihr abgelegtes Kleidungsstück hier auf neue Besitzer warten zu sehen.

Tags darauf widmet sich gleich ein ganzes Seminar auf dem Bildungscampus den Themen Klimaschutz und Energiewende. „Überwältigend“ nennt Umweltminister Franz Untersteller in seiner Eröffnungsrede die Beteiligung an den Nachhaltigkeitstagen: Im ganzen Land gibt es mehr als 400 Veranstaltungen und Aktionen. „Das zeigt, dass das Thema schon in der Breite der Gesellschaft angekommen ist, zumindest hier in Baden-Württemberg.“

Hintergrund: Schauplätze in der Region

Man kann ihn ruhig als nachhaltig bezeichnen, den Besuch des Landesumweltministers Franz Untersteller in der Region: Im Rahmen der Nachhaltigkeitstage reiste er am Samstag nicht wegen einer Veranstaltung an, sondern war bei vier verschiedenen. In Brackenheim ging es in der Spielberger Mühle um Ökolandbau, in Heilbronn-Frankenbach beim Hofmann-Hof um nachhaltige Landwirtschaft, auf dem Bildungscampus hatten lokale Agenda, Bündnis Energiewende und andere zum Bürgerforum geladen, in Obersulm war der Naturerlebnisraum Sulmaue einen Besuch wert.

Bildunterschrift 1: Faszination Fernwärme: Die Rohre liefern Gas von der sechs Kilometer entfernten Deponie Vogelsang an. Fotos: Feinäugle

Bildunterschrift 2: Weiterverwerten statt Wegwerfen: Im Second-Hand-Kaufhaus Gilde-Center gibt es fast alles.

Bildunterschrift 3: Überzeugte Fahrradfahrer und auch sonst umweltbewusst: Stephan Richter und Brigitte Koring.

Bildunterschrift 4: Einen fernsteuerbaren Segway führt Professor Raoul Zöllner (l.) Minister Untersteller (3.v.r.) und OB Mergel (2.v.r.) vor.

14.07.2014 - Heilbronner Stimme - Region Heilbronn - Franziska Feinäugle