11-05-31 - Hst - Titelseite - Atom-Ausstieg bis 2022

ENERGIE Koalition legt sich fest - Opposition deutet Zustimmung an - Skepsis im Südwesten

Die Bundesregierung kann auf Zustimmung der Opposition zu ihren Plänen für einen Atomausstieg bis 2022 hoffen. Wie dpa gestern in Berlin erfuhr, sieht die SPD eine Rückkehr der Regierung zum rot-grünen Ausstiegsbeschluss von 2001. Auch die Grünen sind verhandlungsbereit.

Die Koalition aus Union und FDP hatte in der Nacht eine energiepolitische Kehrtwende beschlossen. Der Großteil der Meiler soll bis 2021 vom Netz. Falls es Probleme bei der Energiewende gibt, könnten die letzten drei Reaktoren erst zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden. Diese Anlagen werden als „Sicherheitspuffer“ angesehen. Bei dem jetzt angestrebten Ausstieg bleiben die sieben ältesten Meiler, darunter Neckarwestheim I, und das AKW Krümmel dauerhaft vom Netz. Ein Reaktor soll als stille Reserve für mögliche Engpässe bis 2013 in einem „Stand By“ bleiben.

Die Sozialdemokraten sind nach Angaben von Parteichef Sigmar Gabriel bereit zu verhandeln. Offensichtlich knüpft die SPD eine Zustimmung unter anderem an einen stärkeren Ökostrom-Ausbau. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: „Die Grünen sind bereit zum Kompromiss, aber das ,grüne Siegel’ bekommt man nur, wenn auch der Inhalt stimmt.“ Kanzlerin Angela Merkel betonte, man habe die Empfehlungen der Ethikkommission als Richtschnur genommen, die einen Ausstieg bis 2021 empfohlen hatte. Da acht Reaktoren sofort stillgelegt werden, mindert sich der Erlös aus der Brennelementesteuer von jährlich 2,3 auf 1,3 Milliarden Euro.

Der Regierungsplan stößt im Südwesten auf große Skepsis. „Was bislang bekannt wurde, lässt viele Fragen offen und eine klare Linie für die Energiepolitik vermissen“, sagte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) in Stuttgart. Wirtschaftsminister und SPD-Chef Nils Schmid verlangt Nachbesserungen. Der Energiekonzern EnBW sieht viele ungeklärte Probleme, wollte sich aber im Detail noch nicht äußern.

Der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar und die Energiewende Heilbronn halten den Plan für nicht akzeptabel. Angesichts des Risikos müsse auch GKN II früher vom Netz. Der Neckarwestheimer Bürgermeister Mario Dürr fürchtet, dass die Beibehaltung der Kernbrennstoffsteuer die Gemeinde um Gewerbesteuereinnahmen bringen wird. Die Industrie- und Handelskammer fordert, dass die Unternehmen auch künftig Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen beziehen können. dpa/bor

31.05.2011 - Heilbronner Stimme - Titelseite