11-05-31 - Hst - Region Heilbronn - Ärger, Sorge, Erleichterung

Neckarwestheim - Geteiltes Echo auf Atomausstiegskurs der Bundesregierung

Von Reto Bosch

Nach der Laufzeitverlängerung nun ein erneuter Kurswechsel: Das Atomkraftwerk Neckarwestheim II soll spätestens 2022 vom Netz. Das hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Berlin beschlossen. GKN I wurde bereits vor mehreren Wochen abgeschaltet. Die Reaktionen auf diese Entwicklung fallen in der Region Heilbronn unterschiedlich aus.

„Ein Ausstieg bis zum Jahr 2022 ist für uns ja keine neue Situation“, sagt Neckarwestheims Bürgermeister Mario Dürr. Er spielt damit auf den Atomkonsens unter Rot-Grün an. Überrascht ist Dürr, dass die Energieversorger Kernbrennstoffsteuer bezahlen müssen, obwohl die Laufzeitverlängerung jetzt gekippt wurde. Diese Steuer verschlechtert das Betriebsergebnis von EnBW und reduziert damit die Gewerbesteuerzahlungen an die Gemeinde Neckarwestheim.

Risiko Der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN) ist unzufrieden. Noch mehr als zehn Jahre müsse die Region zwischen Heilbronn und Stuttgart im Schatten des Risikos leben. „Angesichts der Ereignisse von Fukushima ist das für uns nicht akzeptabel“, erklärt BBMN-Sprecher Wolfgang Scheffbuch. „Wir werden weiterhin für ein sofortiges Abschalten auch von GKN II eintreten.“

Gründe hierfür seien neben dem Erdbebenrisiko auch die Emissionen im Normalbetrieb. Ganz legal seien für bestimmte Stoffe per Genehmigung Einleitegrenzwerte festgelegt. Für Neckarwestheim zum Beispiel im Abwasser 70 Terabecquerel Tritium im Jahr oder 15 Gigabecquerel radioaktives Jod 131 pro Jahr mit der Abluft. „Wir werden bei der neuen Landesregierung darauf dringen, das Risiko durch GKN II neu zu bestimmen.“ Daniel Knoll von der Energiewende Heilbronn schlägt in dieselbe Kerbe. Die Reaktorsicherheitskommission habe auch für den jüngeren Meiler Mängel dokumentiert. „Es passt nicht zusammen, dass die Bundesregierung behauptet, Fukushima habe alles verändert habe, die Meiler dann doch weitere zehn Jahre laufen lässt.“

Die Politik habe sich mit ihrem Fahrplan zum Ausstieg ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Heinrich Metzger. Sie müsse dabei aber auch für eine gesicherte Stromversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sorgen. „Die Stromkosten für gewerbliche Kunden haben seit Beginn des Moratoriums bereits deutlich angezogen.“ Preissteigerungen dürften aber die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht gefährden. Vor allem energieintensive Branchen wie die metallverarbeitende- , Chemie- oder Papierindustrie seien davon betroffen. „Außerdem brauchen wir erhebliche Investitionen in Off-Shore Windparks und flexible Kraftwerke.“ Der Südwesten müsse mit ausreichenden Netz- und Speicherkapazitäten aufgerüstet werden.

Unglück Der Kirchheimer Bürgermeister Uwe Seibold hat eine klare Meinung: „Das war ein überfälliger Schritt. Es ist traurig, dass ein Unglück wie Fukushima nötig war, um die Politik zum Umdenken zu bewegen.“ Die spannende Frage sei nun, wie der Ausstieg unumkehrbar gemacht werden kann. Uwe Seibold schlägt eine Verfassungsänderung vor. „Wir waren an den Verhandlungen und Gesprächen nicht beteiligt und kennen nur das, was in den Medien berichtet wird“, erklärt die EnBW-Pressestelle auf Anfrage. Die Pläne werfen aus Sicht des Karlsruher Unternehmens viele energiewirtschaftliche, technische und wirtschaftliche Fragen auf, „die wir auf der jetzigen Basis nicht beantworten können“.

Bildunterschrift 1: Breiter Widerstand: Auch in der Region Heilbronn gab es in den vergangenen Monaten Proteste gegen die Atomkraft. Foto: Archiv/Veigel

Bildunterschrift 2: Rund 800 Beschäftigte der EnBW arbeiten derzeit in den Neckarwestheimer Kernkraftwerken. Viele werden für den Rückbau gebraucht. Foto: Archiv/Dirks

31.05.2011 - Heilbronner Stimme - Region Heilbronn - Reto Bosch