11-03-15 - Hst - Titelseite - Japan: Reaktoren außer Kontrolle – Neckarwestheim I muss vom Netz

Katastrophe - Radioaktive Strahlung entwichen – Wind könnte heute in Richtung Tokio wehen

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Die Atomkatastrophe in Japan hat sich dramatisch zugespitzt. Drei Reaktorblöcke waren gestern außer Kontrolle, in ihnen drohte eine Kernschmelze, wie die Regierung einräumte. Bei einer zweiten Explosion im Kernkraftwerk Fukushima wurde erneut ein Gebäude zerstört. Mehr als zwei Stunden waren die heißen Uranbrennstäbe ohne Kühlung.

In Deutschland und anderen Staaten entbrannte unterdessen die Debatte um die Atomenergie neu. Die Bundesregierung setzt die erst im Herbst beschlossenen längeren Atom-Laufzeiten für drei Monate aus. Alte Meiler sollen vorübergehend abgeschaltet werden. Dies betrifft das AKW Neckarwestheim I, Biblis A in Hessen und, wie Umweltminister Söder ankündigte, Bayerns ältestes Atomkraftwerk Isar I.

Proteste Bei Demonstrationen in ganz Deutschland haben gestern nach Veranstalterangaben mehr als 110 000 Menschen den Ausstieg aus der Atomenergie gefordert. Insgesamt seien an rund 450 Orten Mahnwachen abgehalten worden, sagte ein Sprecher der Kampagne „Ausgestrahlt“. Auch in Lauffen und auf dem Kiliansplatz in Heilbronn fanden Kundgebungen statt. „Der Ankündigung von Frau Merkel müssen nun Fakten folgen“, sagte Monika Knoll vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn. Sonst entstehe der Eindruck, dass es nur um die bevorstehende Landtagswahl gehe.

In Japan stieg gestern Abend am Haupttor des Kraftwerks Fukushima die Strahlung auf das Doppelte des zuvor gemessenen Höchstwertes. Im Reaktorblock zwei könnte die Kernschmelze bereits begonnen haben, erklärte die AKW-Betreibergesellschaft Tepco.

Zur Kühlung der Brennstäbe pumpten Techniker erneut große Mengen Meerwasser in die Anlage. „Dieser Dienstag könnte ein „kritischer Tag werden“, warnte der Meteorologe Martin Jonas vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Der schwache Nordwind könnte radioaktive Substanzen von Fukushima nach Tokio transportieren.

In der japanischen Krisenregion wuchsen gestern Chaos und Verzweiflung. Strom, Lebensmittel und Kraftstoff wurden knapp. Das betraf nicht nur die unmittelbare Katastrophenzone des Bebens mit Tsunami im Nordosten des Landes, sondern zum Beispiel auch Tokio. Vor Supermärkten und Tankstellen bildeten sich lange Schlangen.

Die Behörden zählten seit dem Erdbeben und den Riesenwellen vom Freitag 5000 Tote und Vermisste. 550 000 Menschen suchten Zuflucht in Auffanglagern. Andere setzten sich nach Süden ab – möglichst weit weg vom Ort der Atom-Störfälle. dpa/fur

Kommentar "Notbremsung"

Bildunterschrift: „Dieser Dienstag könnte ein kritischer Tag werden.“ Martin Jonas, Wetterdienst

15.03.2011 - Heilbronner Stimme - Titelseite