09-04-16 - Hst - Hämische Geschenke zum Geburtstag

20 Jahre nach Aufnahme des kommerziellen Betriebs von Block II des GKN in Neckarwestheim haben AKW-Kritiker vor Ort protestiert

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Neckarwestheim Die Kraftwerksleitung kam nicht ans Werktor, um sich ihre Geburtstagsgeschenke abzuholen. Das Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim überreichte seine Präsente trotzdem, symbolisch.

Im Gepäck der Aktivisten: Zwei Säcke strahlende Abluft, zwei Kübel Fortschrittsblockade und Trollinger vom Jahrgang Tschernobyl. „Wir bringen exemplarisch zurück, was Neckarwestheim II uns in 20 Jahren kommerziellen Betriebs geschenkt hat“, so der Ludwigsburger Bündnisvorsitzende Markus Steuerwald. Wie Block I, der seit 1976 Strom liefert, gehört für den 47-jährigen Sozialarbeiter auch der 1989 ans Netz gegangene Reaktor II des Gemeinschaftskernkraftwerks Neckar (GKN) „sofort vom Netz“.

Massen wie mit Beginn der Castortransporte nach Gorleben Mitte der 90er mobilisiert die Anti-AKW-Bewegung nicht mehr. Nicht ganz 20 sind es gestern. Einer ist Herbert Würth. „Viele sind der Meinung, man muss nicht mehr demonstrieren. Aber von alleine werden die AKW nicht abgeschaltet“, sagt der 54-Jährige. Nach heutigem Stand wird Block II wohl bis mindestens 2022 Strom liefern. Viel zu lange, findet der Heilbronner Arzt Franz Wagner (45): „Der Weiterbetrieb schiebt die notwendigen Veränderungen in der Energieerzeugung hinaus.“

Gewerbesteuer Neckarwestheims Kämmerer zieht eine andere Bilanz. Man habe finanziell durch das Kraftwerk profitiert, sagt Walter Link. So wie die ganze Region. „Durch Gewerbesteuerumlage, Kreis- und Finanzausgleichsumlage dürften etwa 75 Prozent unserer Einnahmen verteilt werden“, schätzt er. Was bleibt, genügte der Stadt immerhin für zuletzt 40 Millionen Euro Rücklagen.

Positiv wertet auch GKN-Betriebsrat Franz Watzka die letzten 20 Jahre. Für rund 350 zusätzliche Arbeitsplätze habe Block II in den Achtzigern gesorgt. 400 Eigenbeschäftigte seien es heute. Verständnis für die Demonstranten hat er nur bedingt. „Man muss sich auch der Realität stellen. Wer sagt, Kernenergie gehört weg, muss die Konsequenzen akzeptieren.“ Dazu, so Watzka, gehöre vor allem Kohle.

Nicht nur den Demonstranten bereitet dagegen die ungelöste Zukunft des Zwischenlagers Kopfzerbrechen. „Das Thema betrachten Bürger wie Verwaltung mit Bauchweh“, sagt Kämmerer Walter Link. Mit dem 20. Jahrestag wird der Protest gegen das GKN darum nicht zu Ende sein, ist sich Franz Wagner sicher. „Es wird Zeit, dass man in Heilbronn endlich merkt, dass man eine Zeitbombe im Vorgarten hat.“

16.04.2009 - Heilbronner Stimme - Andreas Tschürtz - Region Heilbronn