3.800 Kilometer neue Stromtrassen sind NICHT alternativlos – sondern teuer und konservieren das Oligopol

erstellt am: 30.05.2012 • von: Daniel • Kategorie(n): Energiewende, Politik

Netzentwicklungsplan soll zentralistische Strukturen konservieren

Die deutsche Bundesregierung, die Bundesnetzagentur und die Übertragungsnetzbetreiber suggerieren den deutschen Bürgern, dass der Bau von 4.000 km neuen Stromtrassen eine unausweichliche Notwendigkeit sei, ohne die die Energiewende nicht zu realisieren ist. Doch dem ist nicht so.

Was als unvermeidbar dargestellt wird, ist in Wirklichkeit eine ganz bewusste Entscheidung, genau diejenigen Versorgungs- und Machtstrukturen zu bewahren und sogar auszubauen, die durch den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren zurückgedrängt worden sind.

Aber schon der Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan im vergangenen Jahr war ganz auf zentralistische Strukturen ausgerichtet. Es ist sehr bedauerlich, dass schon damals berechtigte Kritik nicht aufgenommen wurde und reale Entwicklungen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien einfach übersehen wurden.

Viele Bundesländer betreiben inzwischen eine Raumordnung, die es erlaubt, die lokalen und regionalen Potenziale zur regenerativen Stromerzeugung besser und systematischer auszuschöpfen. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, aber inzwischen auch Bayern und Baden-Württemberg machen durch ihre Ausbaupläne den Entwurf des nationalen Netzentwicklungsplans schon jetzt obsolet.

„Gerade der dezentrale Ausbau der Erneuerbaren Energien bietet die Chance, Strom genau dort zu erzeugen, wo er benötigt wird. Unnötig große Distanzen zwischen dem Ort der Erzeugung und dem Ort des Verbrauchs lassen sich so vermeiden und die erforderliche Länge neuer Stromtrassen deutlich reduzieren“, so Peter Droege, Präsident von EUROSOLAR.

Dies gilt insbesondere für den Einsatz der Photovoltaik. In den deutschen Großstädten, Metropolregionen und Industriezentren, deren Netze große Mengen Solarstrom aufnehmen können, besteht noch ein enormer Nachholbedarf beim Ausbau der Photovoltaik, die es in nur wenigen Jahren geschafft hat, ihre Kosten deutlich zu senken und signifikante Strommengen zu liefern, wie es jüngst das Pfingstwochenende deutlich gezeigt hat.

Dies gilt aber auch für den Ausbau der Onshore-Windenergie. Moderne Windstromanlagen erbringen an vielen Standorten im Binnenland hervorragende Erträge, ihre Stromgestehungskosten sind bereits heute nicht mehr höher als die von neu errichteten Stein- und Braunkohlekraftwerke, die darüber hinaus enorme externe Kosten und Klimaschäden verursachen.

„Windstrom aus dem Hunsrück, Westerwald oder Taunus in die Metropolregion Rhein-Main-Neckar, vom Niederrhein und dem Münsterland in das Ruhrgebiet oder von der Schwäbischen Alb in die Lastzentren Baden-Württembergs zu transportieren, ist eine ungleich geringere Herausforderung als gigantische Stromtrassen von der Nordsee bis in den Süden Deutschlands zu errichten und ermöglicht gleichzeitig eine breite regionale Wertschöpfung. Die vielen 100%-Erneuerbare-Energien-Regionen in Deutschland zeigen deutlich, dass man vor Ort lieber aktiver Teilhaber der Energiewende sein möchte und nicht nur Hinterland für Stromtrassen“, so Axel Berg, Vorstandsvorsitzender der EUROSOLAR-Sektion Deutschland.

Es ist auffallend, dass bei der Debatte um die Photovoltaik ständig deren angeblich so hohe Kosten ins Feld geführt werden, während hier ganz bewusst eine Richtungsentscheidung getroffen wird, die ohne Notwendigkeit zu hohen Kosten überkommene Strukturen konserviert.

„Der nun vorliegende Entwurf des nationalen Netzentwicklungsplans ist unter einer falschen Prämisse entstanden. Denn das Ziel ist eben nicht die Wahrung der privatwirtschaftlichen Interessen von Stromkonzernen und Ãœbertragungsnetzbetreibern, sondern eine erfolgreiche Energiewende. Nun liegt es an den betroffenen Bundesländern, eine Revision des Netzentwicklungsplans einzufordern“, schlussfolgert Irm Scheer-Pontenagel, Geschäftsführerin von EUROSOLAR.

Quelle: Pressemitteilung von EUROSOLAR, Bonn, 30. Mai 2012

Auch der BUND äußert sich in diese Richtung:

3.800 Kilometer neue Stromtrassen sind nicht alternativlos

Für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist der heute von den Netzbetreibern vorgestellte „Netzentwicklungsplan 2012“ (NEP) nicht alternativlos. Der Ruf nach dem Neubau von 3.800 Kilometern neuer Stromautobahnen berücksichtige nicht die künftigen Entwicklungen im deutschen Strommarkt. Diese hätten Auswirkungen auf den Netzbedarf und müssten deshalb in die Planungen einbezogen werden, sagte der BUND-Energieexperte Werner Neumann.

Die Minderung des Stromverbrauchs und ein beschleunigter Ausbau der Windenergie im Süden Deutschlands könnten einen Großteil der geplanten Leitungen überflüssig machen. „Jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht oder die direkt vor Ort erzeugt wird, muss nicht quer durch Deutschland transportiert werden. Und das ist die Zukunft der Energieversorgung“, sagte Neumann.

Der BUND forderte die Bundesnetzagentur auf, im Rahmen der vorgeschriebenen strategischen Umweltprüfung (SUP) sämtliche Alternativen zu den vorgeschlagenen Netzausbauvorhaben zu prüfen. Dabei müsse es darum gehen, die Auswirkungen neuer Stromtrassen auf Natur und Anwohner zu minimieren.

„Wenn es Alternativen gibt, die den Ausbaubedarf verringern, dann müssen sie ebenfalls geprüft werden und im Zweifel Vorrang erhalten“, sagte der BUND-Experte. „Nicht eintreten darf, dass jetzt der Neubau möglichst vieler Trassen forciert wird. Viele davon könnten sich schon in wenigen Jahren als Fehlplanungen erweisen“, so Neumann.

Der BUND-Experte lobte hingegen, dass im Netzentwicklungsplan ein wesentlicher Teil der neuen Leitungen als HGÜ-Gleichstromkabel (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) vorgesehen sei. Gleichstromkabel entlasteten die Anwohner von den negativen Auswirkungen elektromagnetischer Felder.

Quelle: Pressemitteilung des BUND, Berlin, 30.05.2012


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