Kommunale Energieversorgung – Bericht vom VHS-Forum am 3. April 2012

erstellt am: 10.04.2012 • von: Daniel • Kategorie(n): Energiewende, Konzession, Lokalpolitik

Angesichts von Preisspiralen der Ölmultis an den Tankstellen erlebten die Teilnehmer am Seminar über kommunale Energieversorgung in der VHS eine wohltuende Ermutigung: eine preisstabile Energieversorgung in Bürgerhand ist möglich – und der sicherste Weg in die Energie-Zukunft.

Eine beachtliche Zuhörerzahl folgte den Vorträgen von drei überzeugenden Experten Ulrich Hommel, Rechtsanwalt Stuttgart, Geschäftsführer Wolf Meyer, STW Pforzheim und Rainer Kübler, GF STW Bietigheim. Ulrich Hommel zeigte auf, nach welchen Regeln und mit wel-chen Varianten Netzeigentum, Netzbetrieb und Stromerzeugung rechtlich und wirtschaftlich zusammenspielen. Der Versorgung durch ein nicht-städtisches Unternehmen stellte er die Versorgungsmodelle durch ein ortsgebun¬denes, demokratisch kontrolliertes, leistungsstarkes Stadtwerk gegtenüber.

Die interessant dargebotenen, trotz Komplexität anschaulichen Vorträge haben die Hörerin-nen und Hörer, darunter einige Gemeinderäte, zu einer lebhaften Diskussion angeregt und davon überzeugt, dass in Heilbronn die Zeit gekommen ist, eine stadteigene Versorgung in den Bereichen Strom, Gas, Wasser, Fernwärme, Abwasser und Bioabfall-Verwertung ‚aus einer Hand’ anzustreben.

Die von einem solide aufgebauten Stadtwerk geleistete Versorgung der Bürger spart Kosten, weil auf breiter Front Synergie-Effekte wirksam werden. Wie am Beispiel der Stadtwerke Bie-tigheim und Pforzheim sichtbar wurde, fallen schädliche Konkurrenzen zwischen getrennt bewirtschafteten Wasser- Gas- und Stromnetzen weg. Durch Netzeigentum und Netzbetrieb werde sichergestellt, dass die Netze in einem technisch jungen und modernisierten Zustand erhalten werden.

Ferner ergebe sich in einem Stadtwerk die Möglichkeit der Querfinanzierung: Die auf ertrag-reicheren Feldern (z.B. Netzbetrieb oder Stromvertrieb) erzielten Gewinne können die Defizite in kostenintensiven, weniger ertragreichen Dienstleistungen ausgleichen, z.B. im öffentlichen Busverkehr, in Schwimmbädern und Sporteinrichtungen.

Der wirtschaftliche Erfolg und die hohe Akzeptanz der Stadtwerke in der Bevölkderung von Bietigheim und Pforzheim gründen auf gutem Kundenkontakt, schnellem Service sowie auf moderaten Preisen. Ihre Erfolgsbilanz habe nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine ökologische Seite: der von der Bundesregierung für das Jahr 2020 angestrebte Grad der Senkung der CO2 –Werte sei schon heute erreicht.

Der aktuelle Anlass, weshalb sich Heilbronner Bürger mit der kommunalen Energieversor-gung befassen, ist das Auslaufen der Netznutzungsverträge für Strom (ZEAG) und Gas (HVG). Diese Wegenutzungsverträge werden auf 20 Jahre geschlossen. Alternativ zur Ver-gabe an ein (mehr oder weniger) externes Unternehmen habe die Stadt die Möglichkeit, sel-ber durch ihr Stadtwerk und durch zugekaufte Dienstleistungen die Netze zu bewirtschaften. Der Rückerwerb der Netze orientiere sich an ihrem Ertragswert. Ein neuer Vertragsabschluss für das Heilbronner Netz ist in Vorbereitung. Da es um hohe Werte und eine umfangreiche kommunale Wertschöpfung gehe, hätten die Bürger ein Anrecht darauf, informiert zu werden und ihre Interessen zu vertreten.

In fairer Ausgewogenheit stellte Ulrich Hommel Chancen und Risiken dar: ein wirtschaftlich erfolgreicher Netzbetrieb sei für eine Stadt von der Größe Heilbronns allemal in Betracht zu ziehen. Der Rückkauf des Stromnetzes könne in der Regel durch die Erträge solide gegenfi-nanziert werden. Bei dem Bewerbungsverfahren sollten nur Angebote mit echten Vorteilen für die Bürger in Betracht gezogen werden.

Die Städte Pforzheim und Bietigheim-Bissingen führen den Netzbetrieb schon seit längerer Zeit in eigener Regie – in Bietigheim in vollem Eigentum, in Pfrozheim mit einer Beteiligung der Thüga von 35%. Im Auf- und Ausbau der Stadtwerke ließen sich technische Probleme z.B. bei der Erneuerung der Straßenbeleuchtung, der Bodenleitungen oder Umspannstellen schnell und kostengünstig lösen, wussten beide Geschäftsführer zu berichten. Ausdruck ihrer Zukuftsorientierung und progressiven Wirtschaftsförderung ist der ehrgeizige Plan, flä-chendeckend ein Glasfasernetz für die elektronische Kommunikation zu installieren, das gleichzeitig zur Feinsteuerung der Energie-Übergabestellen dient. Die Stadtwerke Bietigheim und Pforzheim gewinnen schon jetzt 20 % der Energie aus regenerativen Quellen: Sonne, Wasserkraft und Biogas. Die energieeffiziente Kraftwärmekopplung von Stromerzeugung und Wärmegewinnung wird ausgiebig genutzt und erweitert; die eigenen Kleinkraftwerke haben schon nach kurzer Zeit die Baukosten eingespielt. In Bietigheim-Bissingen sind viele öf-fentliche Gebäude an die Nahwärmeversorgung des Biomasseheizkraftwerks angeschlossen. Solarzellen werden auf geeigneten Dächen von Klinik, Ämtern und Schulen betrieben, Beide Stadtwerke versorgen die Bürger mit eigenem und zugekauftem Strom und Gas und haben ein entsprechendes Risikomanagement zur Sicherung der wirtschaftlichen Kontinuität. Sie haben wegen ihrer günstigen Preise viele Kunden von außerhalb hinzugewonnen, was die Gewinne erhöht.

Durch geschickten Einsatz von Abschreibungen und sonstigen Verlustvorträgen aus der Netzverwaltung sparen sie erheblich Steuern, die zum Ausgleich für die defizitären Betriebe (ÖPNV und Bäder) eingesetzt werden. Und dennoch ist alles nachhaltig und zukunftssicher gestaltet. Hoch komplizierte, von kleineren Städten nicht allein zu leistende, technische Auf-gaben werden nach außen an Spezialisten vergeben. Das macht von Abhängigkeiten frei. Am Entscheidungsprozess haben die Bürger aktiv teilgenommen, die Gemeinderäte aller Parteien tragen die Arbeit der Stadtwerke engagiert mit.

Klaus von Waldeyer, Ulrich Koring


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